Lindleinsmühle – Trotz der Herausforderungen ihrer Arbeit, die teilweise bis an den Rand der Belastbarkeit gehen, arbeiten die Pflegenden und das ärztliche Personal gerne in der Senioreneinrichtung der AWO Unterfranken.
Anfangs waren es keine guten Nachrichten, die aus dem Hans-Sponsel-Haus gemeldet wurden. Es war mit eines der ersten Häuser in Unterfranken, das vom Coronavirus betroffen war. Im Neubau des zweigeteilten Hauses waren mehrere Menschen mit dem Coronavirus infiziert. 19 Bewohner des Hans-Sponsel-Hauses sind mittlerweile verstorben. Die meisten von ihnen litten bereits vorher unter anderen Krankheiten. Über die Hälfte der rund 100 Bewohner hatte sich infiziert. Eine wachsende Zahl von ihnen hat die Erkrankung nun überstanden. So wie die bereits mehrfach durch die Presse gegangene Genesung von Helene Zürrlein. „Die 92-Jährige ist schon wieder ganz munter“ und auch von einer über 100-Jährigen weiß Einrichtungsleiter Jürgen Görgner zu berichten. „Sie hat die Krankheit ebenfalls überstanden und isst schon wieder Schokolade“, verdeutlicht Görgner die Fortschritte.
Man hatte im Haus nach Absprache mit dem Gesundheitsamt frühzeitig gezielte Maßnahmen ergriffen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die betroffenen Bewohner*innen wurden auf einzelne Stockwerke des Neubaus konzentriert. Nicht-Infizierte und mögliche Kontaktpersonen kamen auf andere Stockwerke. Das scheint gegriffen zu haben, auch wenn Görgner noch nicht von einer Entwarnung sprechen möchte. Die regelmäßigen Testungen durch das Gesundheitsamt auf Covid 19 geben allerdings eine gewisse Sicherheit und bisher sind keine neuen Fälle aufgetreten. Der letzte Corona-bedingte Todesfall wurde am 17. April verzeichnet. Bei der letzten Testreihe sind 17 der zuvor mit dem Coronavirus infizierten Bewohner negativ getestet worden. Aktuell sind noch 14 Bewohner infiziert, alle ohne akute Krankheitssymptome.
„30 Mitarbeiter der Einrichtung wurden bislang positiv getestet“, so der Einrichtungsleiter. Das stellt die Pflege vor besondere Herausforderungen. Dienstpläne mussten umgestellt werden, teilweise half auch Personal aus anderen Einrichtungen aus. Außerdem fehlen die Ehrenamtlichen, die sonst im Haus vorbeikommen; genauso die Besuche der Familien, die das Pflegepersonal nun durch stärkere Betreuung versucht aufzufangen. Eine große Freude bereitete den Bewohnern zur Osterzeit beispielsweise die Aktion: „Schreib mir eine Karte“. Hier konnten Kinder, aber auch Erwachsene, Briefe oder Postkarten an die verschiedenen Einrichtungen schicken, die den Bewohnern mit ihren Zeilen Mut machten und sie für einige Zeit vergessen ließen, dass Quarantäne herrscht. Die unterfrankenweite Aktion der AWO stieß auf großes Interesse, wie die Rückmeldungen aus den einzelnen Einrichtungen belegen. Teilweise wurden die Karten den Bewohnern vorgelesen, teilweise hingen sie aber auch an Pinnwänden oder in den Fluren der einzelnen Wohnbereiche.
Eine der Freiwilligen, die im Hans-Sponsel-Haus aushalfen, war Alexandra Beer. Normalerweise ist sie Quartiersmanagerin in Schwebheim (Landkreis Schweinfurt). Doch die ausgebildete Gerontologin und Altenpflegerin zögerte keine Sekunde, als sie von Ulrike
Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Rehabilitation der AWO Unterfranken, angesprochen wurde um einzuspringen. „Die Zusammenarbeit hat von Anfang an geklappt“, so Beer. Sie fühlte sich im Team gleich aufgenommen. Überhaupt fiel ihr zuerst die positive Stimmung im Hans-Sponsel-Haus auf. Hier wird Wert auf alle Bewohner gelegt, nicht nur auf die Kranken, war ihr erster Eindruck. Trotzdem ist sich jeder Mitarbeitende bewusst, welche Gefahren von Covid 19 ausgehen. Beer kann auch Menschen verstehen, die Angst haben und nicht mehr auf den betroffenen Wohnbereichen arbeiten wollen und können. „Es erfordert viel Mut“, gibt sie zu. Doch mit viel Unterstützung von allen Seiten lief ihr Dienst bis jetzt immer reibungslos. „Man fühlt sich wie in einer Privatsauna“, beschreibt sie beispielsweise die Arbeit in den Schutzanzügen. Während ihrer Arbeit im Hans-Sponsel-Haus war immer genügend Schutzkleidung vorhanden, weiß Beer zu berichten, von Engpässen habe sie nichts gespürt.
Großes Lob gibt es von ihrer Seite an die hausärztliche Versorgung, die der Senioreneinrichtung vom Gesundheitsamt zugeteilt wurde, aber auch schon vorher hier tätig war. Neben der dauerhaften ärztlichen Betreuung können die Bewohner, deren Gesundheitszustand kritisch und eine Einweisung ins Krankenhaus nicht mehr möglich oder gewünscht ist, umfassend palliativ betreut werden. Eine solch umfassende Versorgung ist in normalen Zeiten eher ungewöhnlich. Das erfahren auch die Angehörigen, die ärztlicherseits jederzeit offen und transparent informiert werden, gerade wenn es um den nötigen Beistand und Absprachen für die letzten Lebenstage der betroffenen Patienten geht. Beer nennt es: „Fürsorge durch Aufklärung“. In dieser Deutlichkeit habe sie Arztgespräche nur in ganz wenigen Situationen erlebt. Die Mediziner seien immer ansprechbar und besonders die Palliativmedizin leiste im Haus sehr viel bei der Begleitung der Sterbenden; die interdisziplinäre Zusammenarbeit klappe hervorragend. „Man nimmt sich immer Zeit für jeden einzelnen Menschen“, so Beer.
Die aktuelle Situation ist auch für die Mitarbeiter sehr belastend. Quarantänemaßnahmen und Krankheitsstände sorgen beim verbleibenden Personal für überdurchschnittliche Arbeitsbelastungen. Hilfreich sind da Kollegen aus anderen AWO-Einrichtungen, die kurzfristig einspringen und freiwillig aushelfen, wenn es eng wird. Wenn Mitarbeitende das Gefühl hätten, ihnen wächst die Arbeit über den Kopf gäbe es zudem sofort Unterstützung von Frau Dr. Jentschke vom Kriseninterventionsteam der Uniklinik, die mit psychologischer Unterstützung immer für alle Mitarbeitenden da ist. Und auch die Gespräche der Mitarbeitenden untereinander im Dienst würden viel Vertrauen und Zuspruch vermitteln. Das macht die Gesamtsituation zwar nicht einfacher, aber erträglicher.
Das nennt Beer eine vorbildliche Haltung. Derzeit ist sie allerdings wieder in ihrem alten Arbeitsfeld angekommen. Auch hier ist Vieles liegengeblieben, was es aufzuarbeiten gilt. Doch wenn Alexandra Beer nochmal gebraucht werden würde, sie könnte sich vorstellen sogar ihren Urlaub zu verschieben, um weiter bei der Pflege von Patienten mit Covid 19 zu helfen. Diesen Einsatzwillen hat sie auch bei vielen anderen Pflegekräften beobachtet. Und auch die Angehörigen freuen sich über die außerordentliche Leistungsbereitschaft, wie Beer in mehreren Gesprächen mit Angehörigen vermittelt bekam, die per Videokonferenz oder im persönlichen Austausch mit dem gebotenen Sicherheitsabstand getätigt wurden. Einrichtungsleiter Görgner geht abschließend davon aus, dass der betroffene Neubau des Heims „in zwei bis drei Wochen als Corona-frei gelten“ könne.